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Dienstag, 13. Februar 2018

Nordkoreas Machthaber schickt Schwester Annäherung auf dem Eis: Wie die vereinte koreanische Frauenmannschaft in Pyeongchang Historisches bewegt

Gemeinsamer Gruß an die vereinte koreanische Mannschaft: Südkoreas Präsident Moon Jae-in (hintere Reihe, Zweiter von links), neben ihm IOC-Präsident Thomas Bach, Nordkoreas protokollarisches Staatsoperhaupt Kim Yong-nam und Kim Yo-jong, die jüngere Schwester von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un.


Foto: imago


Vor dem Spiel sieht man überall emsige Koreaner im Kwandong Hockey Centre. Sie sind aufgeregt, nervös. Es ist etwas Historisches, was da gleich passieren wird. Eine gemischte Mannschaft aus Süd- und Nordkoreanerinnen tritt gegen die Schweiz an. Sportlich weniger brisant, dafür aber hochpolitisch.

Denn der seit Jahren schwelende Konflikt der beiden seit 1948 geteilten Nationen, die sich offiziell sogar noch im Krieg befinden, ist das große Diskussionsthema des ersten Wochenendes bei den Olympischen Spielen. In Pyeongchang waren einen Tag zuvor die Athleten beider Länder bei der Eröffnungsfeier gemeinsam eingezogen - 122 aus dem Süden, 22 aus dem Norden. Chung Gum-hwang, nordkoreanische Eishockeyspielerin und Yun Jong-won, südkoreanischer Bobpilot, trugen zusammen die sogenannte Flagge der Vereinigung. Diese zeigt eine hellblaue Silhouette der koreanischen Halbinsel auf weißem Grund.

Um 21 Uhr Ortszeit am Samstag laufen auch die koreanischen Eishockeyspielerinnen gemeinsam ein. 20 aus dem Süden, drei aus dem Norden. Der Kader hat als einziger der Teilnehmer 35 Spielerinnen. Denn die eigentlich feststehende, eingespielte südkoreanische Mannschaft wurde Ende Januar um zwölf Nordkoreanerinnen erweitert - auf Beschluss der beiden Länder und des Internationalen Olympischen Komitees. Drei Nordkoreanerinnen muss die kanadische Trainerin Sarah Murray, Tochter des berühmten Andy Murray in jedem Spiel einsetzen. So ist es vereinbart. "Ein Herz, ein Geist, wir wollen gemeinsam unser Bestes geben", sagt die nordkoreanische Spielerin Jong Su-hyon, die bei der Eröffnungsfeier die Fackel getragen hatte und nun auf dem Eis steht.

Bilder vom Spiel Korea gegen die Schweiz (8 Einträge)

 

Das Vorhaben soll als Geheimprojekt vier Jahre lang geplant worden sein, ohne großes Wissen der Politik und nur deshalb in dieser Form möglich, weil Südkorea Gastgeber der Spiele und automatisch qualifiziert ist. In der Weltrangliste belegt Südkorea Rang 22, Nordkorea Rang 25, weit weg von der Top-Gruppe. Im Pressezentrum erzählt man, dass die Spielerinnen aus dem Norden neue Ausrüstungen erhalten hätten, die aber in der Heimat Luxusgut sind und nicht mit nach Hause gebracht werden dürfen. Durch ein 3:0 gegen den Norden war der Süden im April 2017 aufgestiegen. Fast and gleicher Stelle im Gangneung Hockey Centre, aber eben nur in die Division IB, die dritte Gruppe im Welt-Eishockey.

Doch nun sind alle Augen auf sie gerichtet. 3.606 Zuschauer jubeln, kreischen, brüllen "Korea, wir sind eins". Dazu tanzen Cheerleader aus dem Süden und die aus dem Norden, auch Armee der Schönen genannt und extra von Machthaber Kim Jong-un geschickt. Spannung auf dem Eis gibt es wenig. Die Schweiz dominiert, das Torschussverhältnis lautet 52:8.

Entscheidendes passiert ohnehin auf den Rängen. Denn hinter der Spielerbank und der Armee der Schönen sitzen die wichtigsten Personen des Abends in einer Reihe: IIHF-Präsident René Fasel, Südkoreas Präsident Moon Jae-in. IOC-Präsident Thomas Bach, Nordkoreas protokollarisches Staatsoberhaupt Kim Yng-nam (bereits 90 Jahre alt) und Kim Yo-jong, Schwester von Kim Jong-un. Der Machthaber aus dem Norden hat die Delegation geschickt - mit Hintergedanken. Gemeinsam stehen alle nach dem Spiel noch an der Bande, sprechen mit den Spielerinnen und posieren für Erinnerungsfotos. Das 0:8 ist nur Nebensache. Moon sagt den Spielerinnen, sie hätten "gute Arbeit" geleistet. Park Jong-ah, Kapitänin, sagt: "Auch wenn wir nicht viel Zeit hatten, war unsere Zusammenarbeit gut. Wenn wir noch mehr Zeit haben, wird sie besser." Ein sportliches Zitat, das fast nach einem politischen Statement klingt.

Politik ist an diesem ersten Wochenende überall zu spüren: Historisch war bereits der Handschlag von Kim-Schwester Yo-jong mit Südkoreas Präsident Moon bei der Eröffnungsfeier. Kim Yo-jong ist die erste Vertreterin der Diktatoren-Dynastie seit dem Waffenstillstand 1953, die südkoreanischen Boden betrat. Zuvor hatten zwei täuschend echt aussehende Doubles von US-Präsident Donald Trump und Kim Jong-un für Wirbel gesorgt, die ebenfalls einen "historischen" Händedruck gezeigt und überall für Selfies posiert hatten, ehe sie von Volunteers aus dem Stadion begleitet wurden. Die südkoreanischen Medien berichten live und umfassend - von fast jedem Schritt der Kim-Delegation.

Denn vor dem Spiel hatte es diplomatische Gespräche gegeben. Yo-jong hatte einen Brief ihres Bruders dabei. Darin: Eine Einladung an den Süden und Präsident Moon für einen Staatsbesuch im Norden. Moon hatte sich sehr um Verhandlungen bemüht. Eine politische Sensation! Und vielleicht eine weitere Annäherung? Oder doch nur Täuschung aus dem Norden unter den Augen der Welt?

Aus Eishockeysicht kann man das nicht beantworten. Eishockey und die Olympischen Spiele waren zumindest die Bühne für ein politisches Schauspiel, das in die Welt hinaus ging und ein Kontaktversuch zweier Nationen, die sich seit Jahrzehnten spinnefeind sind. Jong Su-hyon fasst es so zusammen: "Thomas Bach hat zu uns gesagt: Gewinnen und verlieren ist wichtig, aber wichtiger ist, dass Korea ein Ziel verfolgt."

Michael Bauer, Thomas Lipinski und Andreas Robanser


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