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Donnerstag, 3. Oktober 2024

Hockey is Diversity Hyun vor Benefizspiel am Samstag in Grefrath: „Es genügt nicht, Rassismus nur anzusprechen – man muss ihn aktiv bekämpfen“

Martin Hyun (links) beim Treffen mit Jordan Greenway.
Foto: City-Press

Vergangenen Donnerstag trafen fünf Kinder mit Migrationshintergrund in München NHL-Spieler Jordan Greenway von den Buffalo Sabres. Organisiert wurde das Treffen von Hockey is Diversity. Die gemeinnützige Organisation veranstaltet am kommenden Samstag in Grefrath ein Benefizspiel gegen eine Auswahl von Grefrather Eishockeylegenden. Dr. Martin Hyun von Hockey is Diversity, erklärt die Beweggründe.

Herr Hyun, welche Intention steckt hinter dem Benefizspiel am Wochenende?
Martin Hyun: „Die Intention hinter unserem Spiel geht weit über den Sport hinaus. Es geht darum, eine Plattform zu schaffen, den Menschen zu zeigen, dass uns mehr verbindet als spaltet. In einer Zeit, in der Spaltung und Ausgrenzung leider wieder mehr Raum einnehmen, möchten wir durch unser Spiel zeigen, dass Vielfalt eine Bereicherung ist – auf dem Eis und im Leben.

Kann man beziffern, wie viele Kinder und Erwachsene im Eishockey von Rassismus betroffen sind?
Hyun: „Wir sind dabei, die zahlreichen rassistischen Vorfälle im Eishockey empirisch aufzuarbeiten. Derzeit können wir keine genauen Zahlen vorlegen, die dokumentieren, wie viele Kinder und Erwachsene im Eishockey von Rassismus betroffen sind, doch jede einzelne Erfahrung ist zu viel.“

BIlder vom Treffen mit Jordan Greenway (17 Einträge)

 

Wie erfahren Sie dann von Fällen?
Hyun: „Durch unser Reporting System bei der sich Betroffene an uns wenden können, erfahren wir von rassistischen Vorfällen im Eishockey aus dem Nachwuchs- und Seniorenbereich aus nahezu fast allen Bundesländern. Es sind immer wieder Geschichten, die sich gleichen, von subtilen Bemerkungen in der Umkleidekabine, auf dem Eis bis hin zu offenen Beleidigungen von den Rängen. Besonders Kinder und Jugendliche sind dabei oft schutzlos solchen Erfahrungen ausgesetzt. Aber es ist nicht nur eine Frage der Anzahl, sondern der Tragweite. Rassismus greift tief in das Selbstwertgefühl und die Identität ein. Viele Betroffene tragen diese Erlebnisse lange in sich, oft auch schweigend.

Können Sie etwas konkreter werden, wie die Betroffenen Rassismus erleben müssen?
Hyun: „Manchmal sind es direkte Beleidigungen, die das Aussehen oder die ethnische Herkunft eines Spielers ins Lächerliche ziehen. Ein Kind, das für seine Hautfarbe oder seine asiatischen Gesichtszüge verspottet wird, zieht sich in sich zurück. Aber es gibt auch die stilleren Formen von Rassismus – das Übersehenwerden, das Ausgeschlossenwerden aus dem Teamgeist. Diese Form von subtiler Ausgrenzung ist oft viel schwerer zu benennen, aber ebenso zerstörerisch. Die Betroffenen fühlen sich allein gelassen, als würden sie nicht wirklich dazugehören. Und das Schlimmste ist, dass diese Erlebnisse oft im Verborgenen bleiben, weil das Umfeld entweder wegsieht oder das Problem nicht anerkennt.“

Sie sprechen Ihr Reportingsystem an. Wird denn darüber hinaus auch genug getan, um gegen Rassismus vorzugehen? Von Eltern, Vereinen, dem DEB und so weiter.
Hyun: „Es gibt zweifellos Ansätze und Bemühungen, Rassismus im Eishockey anzugehen. Aber es reicht bei weitem nicht aus. Das Problem liegt nicht im Mangel an guten Absichten, sondern an der fehlenden Konsequenz und dem Mut, unpopuläre, aber notwendige Entscheidungen zu treffen. Eltern, Vereine und auch Verbände wie der DEB tragen eine immense Verantwortung. Es genügt nicht, Rassismus nur anzusprechen – man muss ihn aktiv bekämpfen. Eltern müssen wachsamer werden für die Erfahrungen ihrer Kinder und den Mut haben, gegen Ungerechtigkeiten aufzustehen, auch wenn es unbequem ist. Vereine wiederum sollten klare Werte nicht nur auf dem Papier festlegen, sondern diese auch im täglichen Umgang leben. Gerade wir aus dem Sport wissen ganz genau, dass Worte ohne Taten ohne Validität sind. Die Theorie ist das eine, die Praxis das andere – und genau dort hakt es oft. Was fehlt, sind tiefgreifende Schulungen, Sensibilisierungsmaßnahmen und ein Bewusstsein für die Herausforderungen, mit denen Kinder und Erwachsene konfrontiert sind, die täglich Diskriminierung erleben.“

Fehlt das Bewusstsein denn an so vielen Stellen?
Hyun: „Ein entscheidender Punkt ist, dass nahezu alle Entscheidungsträger in Vereinen und Verbänden in ihrer „Bubble“ leben – sie sind mehrheitlich weiß, männlich und nicht persönlich von Rassismus betroffen. Für viele ist Rassismus eine abstrakte Idee, weit weg von ihrem unmittelbaren Alltag. Sie können sich schlicht nicht vorstellen, wie es sich anfühlt, täglich ausgegrenzt oder aufgrund der eigenen Herkunft hinterfragt zu werden. Wenn Rassismus so sichtbar wäre wie, etwa Krebs, bin ich überzeugt, dass die Reaktionen anders ausfallen würden. Doch Rassismus ist subtiler, er frisst sich in die Identität der Betroffenen ein insbesondere bei jenen bei denen ihre Migrationsbiografie äußerlich gut sichtbar ist – er ist da, wenn man morgens aufwacht und begleitet einen bis zum Einschlafen. Und genau das wird von jenen, die nicht betroffen sind, oft übersehen. Ich wünsche mir, dass Menschen, die von Rassismus nicht betroffen sind, tiefer darüber nachdenken, was es bedeutet, eine Identität zu haben, die man nicht einfach ablegen kann – sie ist stets sichtbar, ein ständiger Begleiter im Leben.“

Wie kann man Betroffenen Mut machen, ihre Geschichte öffentlich zu machen bzw. Hilfe zu suchen?
Hyun: „Betroffenen Mut zu machen, beginnt mit Zuhören. Sie müssen spüren, dass sie nicht alleine sind, dass ihre Geschichten und Erfahrungen ernst genommen werden. Ich ermutige jeden, der Rassismus erlebt, darüber zu sprechen – nicht, um bloßzustellen, sondern um etwas zu verändern. Geschichten haben eine immense Kraft. Sie können das Bewusstsein der Menschen schärfen und zum Handeln inspirieren. Mit Hockey is Diversity wollen wir genau diesen Raum bieten – ein Ort, wo Erfahrungen geteilt und gemeinsam Lösungen gefunden werden können. Jeder, der seine Geschichte erzählt, leistet einen Beitrag dazu, dass der nächste oder die nächste nicht dieselbe Erfahrung machen muss.

Aktuell erfährt die AfD in Deutschland viel Zustimmung, auch viele Jugendliche/Erstwähler wählen die Partei und geben es offen zu. Welche Auswirkungen hat das Ihrer Meinung nach?
Hyun: „Die wachsende Zustimmung zur AfD, insbesondere unter Jugendlichen und Erstwählern, wirft beunruhigende Fragen auf – nicht nur für die Politik, sondern auch für den Umgang mit Rassismus in unserer Gesellschaft, insbesondere im Sport. Eine Partei, die auf Ausgrenzung und Polarisierung setzt, erhält Zuspruch von einer Generation, die eigentlich für Offenheit und Vielfalt stehen sollte. Das ist mehr als nur ein alarmierendes Zeichen. Es zeigt, wie tief Spaltung und Intoleranz bereits in das gesellschaftliche Bewusstsein eingedrungen sind.“

Was befürchten Sie für das Eishockey?
Hyun: „Wenn Rhetoriken der Ausgrenzung in der Politik salonfähig werden, dann sickern sie unweigerlich in andere Bereiche unseres Lebens, auch in die Eishallen und Umkleidekabinen. Was einst undenkbar war, wird plötzlich akzeptabel: rassistische Bemerkungen, subtile Diskriminierung, das Ausleben von Vorurteilen – all das findet seine Bühne, verstärkt durch die Legitimation, die eine Partei wie die AfD durch ihren politischen Erfolg bietet. Jugendliche, die in einem Umfeld aufwachsen, in dem Intoleranz normalisiert wird, tragen diese Haltung mit in ihre Teams und prägen so das soziale Klima im Sport.“

Was kann also getan werden?
Hyun: „Die Tatsache, dass die AfD von vielen jungen Menschen gewählt wird, verdeutlicht, dass wir als Gesellschaft – auch im Sport – dringender denn je gefordert sind, für Vielfalt, Respekt und ein solidarisches Miteinander einzustehen. Denn diejenigen, die ohnehin am Rande stehen, spüren die Auswirkungen dieser politischen Verschiebung am stärksten. Was auf den ersten Blick "nur" eine politische Wahlentscheidung scheint, hat langfristige und tiefgreifende Konsequenzen für den sozialen Zusammenhalt – sowohl auf als auch abseits der Eisfläche.

Interview: Michael Bauer


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Notizen

  • vor 16 Stunden
  • Die NHL in der Nacht: Philipp Grubauer (93,3% SVS) hat mit den Seattle Kraken den Test gegen die Edmonton Oilers gewonnen. Für diese traf Leon Draisaitl einmal. Maksymilian Szuber stand gut 15 Minuten für Utah auf dem Eis (-2), sein Team unterlag den Anaheim Ducks mit 2:5.
  • gestern
  • In der Oberliga Nord setzten sich am Mittwochabend die Hannover Scorpions mit 5:4 nach Verlängerung gegen Erfurt durch (1:2, 1:2, 2:0, 1:0). Dabei führten die TecArt Black Dragons zwischenzeitlich mit 4:1, sieben Sekunden vor Schluss gelang den Scorpions der Ausgleichstreffer.
  • gestern
  • Freiburg (DEL2) hat auf den krankheitsbedingten Ausfall von Goalie Patrik Cerveny reagiert und Keanu Salmik vom Oberligisten Stuttgart Rebels mit einer Förderlizenz ausgestattet. Auch Crimmitschau reagiert auf das Verletzungspech und stattet Stürmer Lois Spitzner mit einem dreimonatigen Tryout aus.
  • gestern
  • Der 25-jährige Dennis Miller erhält nach seinem Try-Out einen Vertrag bis Saisonende bei DEL2-Club Wölfe Freiburg. In den vergangenen vier Pflichtspielen für die Wölfe hat er einen Treffer erzielt.
  • vor 2 Tagen
  • DEL2-Club Eispiraten Crimmitschau müssen in den kommenden Wochen auf Tim Lutz verzichten. Der Stürmer zog sich beim Auswärtsspiel in Rosenheim eine langwierige Unterkörperverletzung zu und muss rund zehn Wochen pausieren.
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