Dr. Christian Wagner ist Chefarzt für Urologie am St. Antonius-Hospital Gronau und Movember-Botschafter.
Foto: St. Antonius-Hospital
Dr. Christian Wagner gehört zu den Chefärzten der Klinik für Urologie am St. Antonius-Hospital Gronau und ist Botschafter der „Movember“-Kampagne. Der gebürtige Nordhorner („Als Kind war ich dort häufiger beim Eishockey dabei“) erklärt im Interview in unserer aktuellen Print-Ausgabe, welche Möglichkeiten Männer zur Vorsorge gegen Prostata- und Hodenkrebs haben und wie sich die Behandlung der beiden Krankheiten entwickelt hat.
Herr Dr. Wagner, wie viele Menschen sind jährlich von Prostata- und Hodenkrebs betroffen, wie häufig sind diese Krebsarten im Vergleich zu anderen?
Dr. Christian Wagner: „Prostatakrebs ist der häufigste Krebs des Mannes und in etwa vergleichbar mit dem Brustkrebs bei Frauen. Wir reden von knapp 70.000 Neuerkrankungen in Deutschland pro Jahr. Dazu kommt eine relativ hohe Dunkelziffer. Die Hodenkrebserkrankung ist insgesamt deutlich seltener, aber dafür bei jungen Männern der häufigste Krebs. Das geht ab etwa 15 Jahren los, der erste Altersgipfel geht dann bis Anfang, Mitte 20. Bei beiden Erkrankungen kann man durch Früherkennung aber sehr viel machen. Gerade beim Hodenkrebs kann man eine Heilung fast garantieren, wenn er frühzeitig entdeckt wird. Beim Prostatakrebs ist die Prognose zwar oft leider nicht so, aber auch da kann man sehr viele Leben durch Früherkennung retten.“
Welche Möglichkeiten zur Vorsorge bestehen speziell für junge Männer?
Dr. Wagner: „Beim Hodenkrebs empfehlen wir, sich selbst zu untersuchen und einmal im Monat in der warmen Dusche oder in der Badewanne die Hoden abzutasten nach Unregelmäßigkeiten und Verhärtungen. Wenn man dabei etwas fühlt, was nicht in Ordnung ist: Ab damit zum Urologen. Das ist eine einfache, kostengünstige und sehr effektive Methode. Beim Prostatakrebs haben wir in Deutschland leider eine sehr schlechte Früherkennungssituation. Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt ab dem 45. Lebensjahr als Vorsorge eine Tastuntersuchung, die aber eigentlich eine Späterkennung ist. Denn Ärzte können den Tumor nur ertasten, wenn der Tumor auch schon viel größer ist, als er sein sollte. In anderen Ländern ist das anders.“
Das heißt konkret?
Dr. Wagner: „Diese Länder haben eine laborbasierte Vorsorge. Man lässt Blut abnehmen und den sogenannten PSA-Wert überprüfen und kann damit die Tumoren viel früher finden, statt zu warten, dass man sie fühlen kann. Deswegen hat die Deutsche Gesellschaft für Urologie letztes Jahr die Leitlinien geändert und die Empfehlung nur noch auf die PSA-Vorsorge fokussiert. Diese wird zwar von der gesetzlichen Krankenkasse noch nicht bezahlt, aber ich rechne damit, dass das innerhalb der nächsten zwei Jahre der Fall sein wird. Unabhängig davon empfiehlt sich schon jetzt, selbst zur Tat zu schreiten und – zunächst einmalig als Ausgangswert – den PSA-Wert untersuchen zu lassen. Das kostet oft im Prinzip nicht viel mehr als eine Premium-Autowäsche.“
Gibt es – unabhängig vom Alter und der genetischen Veranlagung – Männergruppen, die ein besonders hohes Prostata- und Hodenkrebsrisiko haben?
Dr. Wagner: „Leider sind dunkelhäutige Männer deutlich häufiger davon betroffen, an einem gefährlichen Prostatakrebs zu erkranken. Außerdem ist bekannt, dass der übermäßige Konsum von rotem Fleisch dazu führt, dass man den Prostatakrebs ein bisschen triggert. Vegetarier haben seltener einen gefährlichen Prostatakrebs als Fleischesser. Der häufigste Grund, warum man diese Erkrankungen hat, ist aber einfach Pech.“
Die Movember-Kampagne möchte das Bewusstsein für Männergesundheit schärfen. Spüren Sie diesbezüglich als Arzt bereits Fortschritte?
Dr. Wagner: „Leider in Deutschland nur sehr wenige. Von den Männern ab einem empfohlenen Alter gehen nur 14 Prozent regelmäßig zu einer Gesundheitsvorsorge. Bei den Frauen sind es immerhin über 40 Prozent. Natürlich kann man ein Auto fahren, bis es irgendwann stehenbleibt, aber sinnvollerweise sollte man gelegentlich eine Wartung zwischendurch machen, damit man nicht plötzlich auf offener Strecke stehenbleibt. Viele Männer wissen aber nicht einmal, dass sie eine Prostata haben, und dass sie Probleme machen kann, kriegen sie häufig erst mit, wenn im direkten Umfeld jemand davon betroffen ist. Man kann niemanden zu seinem Glück zwingen, aber vielleicht kann man durch die mediale Aufmerksamkeit im November erreichen, dass die Leute darüber nachdenken.“
Und sollte tatsächlich eine Erkrankung vorliegen: Wie hat sich die Behandlung von Prostata- und Hodenkrebs in den vergangenen Jahren entwickelt?
Dr. Wagner: „Hodenkrebs hat die schlechte, aber gleichzeitig auch gute Eigenschaft, dass er extrem schnell wachsend ist. Wenn ein Tumor sehr schnell wächst, kann man ihn oft gut medikamentös behandeln, weil sozusagen die Angriffsfläche größer ist und er total empfindlich auf Chemotherapeutika sein kann. Beim Prostatakrebs ist das ein bisschen schwieriger. Er wächst nämlich tückisch, leise und langsam und ist deswegen mit Medikamenten schlechter zu behandeln. Wir haben in den letzten zehn Jahren aber erhebliche Fortschritte gemacht, was die Behandlung der frühen Form des Prostatakrebs angeht. Diese lässt sich nun viel schonender, minimalinvasiv mit einer Bauchspiegelung roboterassistiert ohne viel Blutverlust operieren – mit bei spezialisierten Zentren guten Ergebnissen, was die Kontinenz und die Potenz angeht. Auch die medikamentöse Therapie hat sich deutlich verbessert. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Patienten, der sich mit einem fortgeschrittenen, metastasierten Prostatakrebs vorstellt, ist heutzutage deutlich länger als noch vor 15 Jahren.“
Interview: Stefan Wasmer
Aktuell werden noch Mr.-Movember-Kandidaten gesucht. Weitere Informationen dazu finden Sie in diesem Artikel.