Deutschlands Keeper Philipp Grubauer räumte seinen Platz zwischen den Pfosten bei der 3:6-Niederlage gegen die USA kurzzeitig für Mathias Niederberger. Nach dem Match bestätigte DEB-Sportdirektor Christian Künast, dass sich Grubauer am Handgelenk verletzt hatte.
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Nach dem zweiten 20-minütigen Aussetzer innerhalb von nicht einmal 48 Stunden war der Bundestrainer ein Stück weit ratlos. „Wir haben nicht die nötige Laufbereitschaft und körperliche Intensität aufs Eis gebracht“, wurde Harold Kreis in seiner Analyse des Auftaktdrittels bei der 3:6-Niederlage gegen die USA im fünften WM-Vorrundenmatch deutlich. Warum dies so gewesen war, wusste der 66-Jährige allerdings nicht zu erklären: „Das ist eine berechtigte Frage, die ich nicht beantworten kann.“ Fakt ist indes, dass sich die deutschen Männer nach vier Gegentoren im zweiten Abschnitt gegen die Schweiz auch gegen die Vereinigten Staaten innerhalb eines Drittels selbst ein tiefes Loch gegraben hatten und mit einem 0:3-Rückstand in die erste Pause gegangen waren.
„Am Anfang waren wir zu weit weg von den Männern, haben die Zweikämpfe nicht gewonnen und zu leicht die Scheiben verloren“, beschönigte folglich auch Verteidiger Jonas Müller die Leistung des Auftaktdurchgangs nicht. Und dass Center Wojciech Stachowiak einräumte, die DEB-Auswahl habe „zu kompliziert gespielt, wir wollten ein bisschen zu schön spielen“, klang allzu bekannt. Schließlich zieht sich diese Problematik – mal stärker ausgeprägt, mal weniger stark – bereits durch das gesamte Turnier des deutschen Teams. „Ich glaube, manchmal sind wir ein bisschen übermotiviert. Wir wollen zu viel, und das zu schnell“, versuchte sich Keeper Philipp Grubauer an einer Erklärung, Moritz Seider sah es ähnlich: „Wir müssen uns daran erinnern, dass wir im Spiel genug Zeit haben, um den Ausgleich zu machen oder in Führung zu gehen“, gefiel auch dem Kapitän das Verhalten seiner Mannschaft im ersten Drittel nach dem schnellen Rückstand nicht.
Nach dem völlig missratenen Start blieb deshalb nur eine einzige Option: „Wir haben alles einfach die Toilette runtergespült“, beschrieb Seider die deutsche Herangehensweise in der ersten Pause. Und die Klospülung in der DEB-Kabine funktionierte offensichtlich hervorragend. „Wir haben im zweiten Drittel nicht nur ein wenig, sondern deutlich besser gespielt“, lobte Kreis, der dazu mit taktischen Anpassungen beitrug und seine Schützlinge unter anderem „ein bisschen konservativer, was das Halten der offensiven blauen Linie angeht“, agieren ließ. „Das hat mehr mit Laufbereitschaft und der Scheibenbewegung Richtung Norden zu tun als mit allem Anderen“, kommentierte der Bundestrainer die riesige Leistungssteigerung, welche mit drei Toren zwischen der 29. und der 36. Spielminute belohnt wurde. „Wenn wir so weiterspielen wie im ersten Drittel, geht es wahrscheinlich 0:7 aus. Im zweiten Drittel haben wir aber alles, was wir uns vorgenommen haben, unglaublich gut umgesetzt“, schwärmte Grubauer.
Dass es trotz des imposanten Comebacks zum 3:3 letztlich nicht zu einem Punktgewinn reichte, obwohl das deutsche Team auch im Schlussdurchgang weitaus stabiler und kompakter auftrat als noch zu Beginn der Partie (wenn auch offensiv nicht mehr so zwingend wie im zweiten Abschnitt), lag vor allem an einem unnötigen Kniecheck von Patrick Hager, welcher vom starken US-Powerplay eiskalt bestraft wurde – und nicht daran, dass Grubauer zwischenzeitlich vom Eis musste. Nach dem Match bestätigte DEB-Sportdirektor Christian Künast, dass es sich um eine Verletzung am Handgelenk des NHL-Goalies gehandelt hatte. „Es gab kurz den Verdacht, dass etwas gebrochen ist“, berichtete Künast, nachdem Grubauer nicht sofort in der Arena in Herning hatte geröntgt werden können. „Ein Eishockeyspieler sagt dann: Vielleicht geht’s nochmal“, wusste Künast. Der 54-Jähroge gab nach der zweiten Niederlage im fünften Turnierspiel zu: „Wir hätten alle gerne den einen oder anderen Punkt mehr.“ Mit Blick auf die Favoritensiege gegen Ungarn, Kasachstan sowie Norwegen und die dadurch nach wie vor aus eigener Kraft erreichbare Viertelfinalqualifikation ordnete Künast gleichwohl ein: „Der Start war ordentlich, das ist kein Selbstläufer, diese drei Spiele muss man erst mal gewinnen. Da sind wir im Soll.“
Ob der angeschlagene Grubauer auch am Montag gegen Tschechien (16.20 Uhr; live bei ProSieben, MagentaSport und Sportdeutschland.TV) einsatzfähig ist, wird sich derweil erst noch zeigen müssen. Ob mit oder ohne den im bisherigen Turnierverlauf starken Schlussmann: Ein weiteres ganz schwaches Drittel wie in den jüngsten beiden Partien dürfte auch gegen den amtierenden Weltmeister eines zu viel sein, um punkten zu können. „Die Tschechen sind läuferisch auch nicht langsamer und spielerisch auch nicht weniger begabt“, zog Harold Kreis den Vergleich mit den Schweizern sowie den US-Amerikanern – und will spätestens jetzt, nach dem zweiten 20-minütigen Aussetzer, einen Lerneffekt bei seinen Schützlingen sehen: „Die Leistung des ersten Drittels muss uns eine Lektion sein. Nach vorne blickend denke ich aber, wir haben heute eine sehr gute Erfahrung gemacht.“ Dass es für eine erfolgreiche WM und den sechsten Viertelfinaleinzug in Folge mehr Beständigkeit als bisher gezeigt braucht, ist bei Kreis’ Kapitän jedenfalls schon mal angekommen: „Es gibt keine Ausreden mehr, dass wir einfach 60 Minuten ordentliches Eishockey spielen“, sagte Moritz Seider.
Stefan Wasmer