DEB-Sportdirektor Christian Künast spricht über die Gründe für das Aus nach der Gruppenphase und die Lehren aus dem WM-Turnier 2025.
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DEB-Sportdirektor Christian Künast (54) befindet sich zusammen mit Bundestrainer Harold Kreis in der Endphase der WM-Aufarbeitung. Er gibt einen ehrlichen Einblick in die Bewertung des Turniers, die Gründe für das Aus nach der Gruppenphase und den Zeitplan in Sachen Zukunft des Bundestrainers. Alles rund um die zurückliegende Weltmeisterschaft 2025 finden Sie auch in unserer aktuellen Print-Ausgabe!
Herr Künast, wie lange haben Sie gebraucht, um die Enttäuschung über das WM-Vorrunden-Aus zu verarbeiten und in den Analysemodus übergehen zu können?
Christian Künast: „Die Enttäuschung ist normal, sonst wären wir in unserem Sport fehl am Platz. In den letzten fünf Jahren konnte ich in mein Fazit immer den Satz schreiben, dass das Viertelfinale für Deutschland keine Selbstverständlichkeit ist. Dieses Jahr kann ich ihn leider nicht reinschreiben – aber er hilft mir, weil ich unser Abschneiden dadurch einordnen kann. Am Dienstag habe ich einen großen Termin mit Harry (Bundestrainer Harold Kreis; Anm. d. Red.), bei dem wir alles nochmal final durchgehen, und bis zum Ende der Woche sollte alles so weit aufgearbeitet sein, dass wir nach vorne blicken können.“
Bis jetzt haben Sie und der Bundestrainer die WM also individuell aufgearbeitet, und am Dienstag werden die Erkenntnisse zu einer großen Analyse zusammengeführt?
Künast: „„So ist eigentlich unser Plan, aber es fällt uns beiden schwer, nicht schon vorher über gewisse Dinge zu sprechen. Am Dienstag legen wir unsere Analysen komplett übereinander – wie sieht er die Dinge, wie sehe ich die Dinge, wo überschneiden wir uns, und wo wir sind wir anderer Meinung? Genau das brauchen wir.“
Überlassen Sie den Austausch mit den Spielern im Nachgang einer WM denn komplett dem Bundestrainer, oder suchen Sie auch selbst die Gespräche?
Künast: „Harry macht den Großteil, das ist auch seine Aufgabe. Aber auch ich spreche mit dem einen oder anderen Spieler und sage Harry dann auch im Nachgang, was die Spieler zu mir gesagt haben. Da geht es aber mehr darum, wie die Spieler gewisse Dinge in der Zusammenarbeit wahrgenommen haben. Das Inhaltliche, Taktische, Sportliche bespricht Harry mit ihnen.“
Suchen Sie dabei speziell den Kontakt zu den Führungsspielern oder eher zu den jüngeren Akteuren, die womöglich zum ersten Mal bei einer WM dabei waren?
Künast: „Ich versuche, einen gesunden Mix zu finden, damit ich ein Gesamtbild bekomme. Für mich ist es auch wichtig, dass ich nach der WM ein bisschen abwarte. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass zwei, drei Tage nach dem Turnier vieles noch frisch ist, was sehr positiv oder jetzt eben negativ scheint. Wenn man es etwas sacken lässt, ergibt sich mitunter ein differenziertes Bild.“
Welche Hauptgründe für das Aus in der Vorrunde haben Sie bei Ihrer Analyse ausgemacht, die Sie am Dienstag mit dem Bundestrainer besprechen werden?
Künast: „Meine Beobachtungen sind oft ein Bauchgefühl, das sich im Turnierverlauf mit dem Blick von der Tribüne aus entwickelt. So war es auch diesmal. Natürlich habe ich mir alle Spiele nochmal angeschaut und sie analysiert. Mein großer Punkt bleibt die Kompaktheit, die Deutschland in den letzten Jahren immer ausgezeichnet und diesmal gefehlt hat. Damit meine ich einfach, in allen Zonen über 60 Minuten kompakt aufzutreten. Wir haben schon in den ersten drei Spielen, die wir gewonnen haben, gesehen, dass wir durch unsere fehlende Kompaktheit Chancen zugelassen haben, vor allem gegen Norwegen.“
Welche Schwächen haben Sie außerdem festgestellt?
Künast: „Mein zweiter Hauptpunkt ist die Geradlinigkeit in der Offensive. Wir waren nicht so gefährlich wie in den letzten Jahren, weil der erste Gedanke nicht Torabschluss war, sondern ein Pass, wenn wir über die blaue Linie gekommen sind.“
Machen Sie die fehlende Kompaktheit auch am Fehlen von defensiven Schlüsselspielern wie Kai Wissmann und Moritz Müller oder Zwei-Wege-Center Nico Sturm fest?
Künast: „Kompaktheit ist ein Puzzle aus mehreren Teilen. Es hat schon auch mit den Spielern zu tun, die nicht dabei waren, aber es ist überall so, dass der eine oder andere Spieler mal vermisst wird. Die Mannschaft war trotzdem sehr, sehr gut aufgestellt. Im Silberjahr war die Kompaktheit über das ganze Turnier vorhanden, auch bei den Niederlagen. Auch im Jahr darauf in Ostrava war sie in großen Teil des Turniers vorhanden. Dieses Jahr hatte ich dieses Gefühl von Anfang an nicht.“
Beziehen Sie die fehlende Kompaktheit eher auf das Spiel ohne Scheibe oder auch auf das Spiel mit dem Puck?
Künast: „Beides gehört dazu. Vielleicht war es im Kopf der Spieler, vieles spielerisch lösen zu wollen. Und wenn der Spieler mit der Scheibe eine falsche Entscheidung getroffen hat, sind im Nachgang oft andere Spieler falsch positioniert. Dann geht die Kompaktheit an der einen oder anderen Stelle verloren. Puck-Management ist ein großer Faktor bei uns. Da sind Fehler passiert, die Spieler haben auch ein sehr feines Gespür dafür – aber das lässt sich nicht so leicht abstellen. Dazu kommt – und das spricht ja eigentlich für den Charakter der Spieler –, dass sie dann versuchen, die Dinge auf eigene Faust zu lösen, und dann passieren erst recht die meisten Fehler im Puck-Management.“
Hat es auch eine Rolle gespielt, dass einigen der jüngeren Führungsspieler schlicht noch die Erfahrung fehlt, um die Dinge in schwierigen Phasen eben nicht alleine lösen zu wollen?
Künast: „Das ist absolut richtig. Irgendwann kommt für jüngere Spieler, die eine Führungsrolle übernehmen, einfach der Punkt, an dem sie diese Erfahrung machen müssen. Und die Erfahrung dieser knappen Entscheidung, im letzten Spiel über das Penalty-Schießen nicht ins Viertelfinale zu kommen, wird uns für die Zukunft und auch den einzelnen Spielern in ihren Karrieren helfen.“
Dass sich speziell Tim Stützle und Moritz Seider als junge Führungsspieler und Stars aus der NHL selbst viel Druck auferlegt haben, war über die gesamte WM zu spüren. Was nehmen Sie und der Bundestrainer daraus für den Austausch mit den NHL-Profis mit?
Künast: „Da muss ich fast ein bisschen schmunzeln, denn es war sowieso bei jedem Treffen auch Teil unseres Gesprächs, dass sie nicht allein die Last tragen müssen. Mit den beiden haben wir das sogar während des Turniers nochmal besprochen. Aber ich nehme durchaus mit, vielleicht noch mehr, noch konkreter und anders einzuwirken, um diesen Druck wegzunehmen. Ein Stück weit wird es aber immer so bleiben.“
Wieso?
Künast: „Das sind Spieler, die auch deshalb da sind, wo sie sind, weil sie Verantwortung übernehmen und sich einbringen wollen. Ich nehme einmal Tim Stützle. Er kommt aus seiner ersten Playoff-Erfahrung mit Ottawa, und NHL-Playoff-Eishockey ist nochmal ein ganz anderes Level – das hat er ja auch selbst erwähnt. Er war eine Zielscheibe in dieser Serie, was klar ist, weil er einer der besten oder sogar der beste Spieler von Ottawa ist. Trotzdem kommt er dann zu uns und will unbedingt Verantwortung übernehmen, auch wenn viele Leute zu ihm sagen, dass er nicht der Alleinverantwortliche ist. Das ist ein Lernprozess – für den Spieler, aber durchaus auch für uns, um noch gezielter darauf einzuwirken, dass es nicht so läuft.“
Neben Tim Stützle und Moritz Seider waren auch Lukas Reichel und Keeper Philipp Grubauer aus der NHL zum Kader gestoßen. Beide haben – Lukas Reichel bis zu seiner Verletzung – trotz einer komplizierten Saison in Nordamerika eine starke WM absolviert. Werten Sie dies als Bestätigung für das Umfeld, das bei der Nationalmannschaft geschaffen wurde?
Künast: „Erst einmal sehen wir diese zwei Spieler auch so, beide haben eine sehr gute WM gespielt. Bei Lukas Reichel gehe ich soweit zu sagen: Dass wir ihn verloren haben, konnten wir nie ersetzen. Er hat uns etwas gegeben in den ersten drei Spielen, das wir danach vermisst haben. Was das Umfeld betrifft, ist mir persönlich das sehr wichtig, dafür tue ich alles. Die Jungs sollen kommen, sich absolut wohlfühlen, Freude an der Nationalmannschaft haben und sich auf ihren Job konzentrieren können. Und dass sie gerne kommen, sieht man auch. Philipp Grubauer war das beste Beispiel. Er hat vom ersten Tag an gestrahlt und sich immer wieder bedankt, dass er dabei sein kann. Das freut uns natürlich, trifft aber auch auf alle anderen Spieler genauso zu.“
Noch einmal zurück zu Lukas Reichel: Nach seiner Verletzung entstand der Eindruck, dass nicht nur seine individuelle Klasse gefehlt hat, sondern auch die Chemie der Angriffsformationen nie mehr so gut wurde wie in den ersten drei WM-Matches…
Künast: „Der Ausfall hat uns in allen Aspekten wehgetan. Bei Lukas hatten wir schon gesehen, dass es läuft und seine Reihe funktioniert – und dann beginnst du plötzlich zu bauen. Es war dann schon eine kleine Reihensuche. Auch in den letzten Jahren war es so, dass wir die Reihen während des Turniers umgebaut haben, aber da hat es relativ schnell funktioniert. Das war dieses Jahr nicht so der Fall.“
Ein Spieler, der immer funktionierte bei der Nationalmannschaft zuletzt, ist Wojciech Stachowiak, der jetzt einen NHL-Vertrag bei den Tampa Bay Lightning als Lohn dafür bekam. Ein paar Worte über ihn und zu seiner Entwicklung insgesamt.
Künast: „Während der WM hatte ich ein Gespräch mit Mathieu Darche (ehemaliger Assistent General Manager der Tampa Bay Lightning, jetzt General Manager der New York Islanders, Anm. d. Red.), in dem es auch im Wojciech Stachowiak ging. Er hatte mich explizit nach ihm gefragt. Das war ein interessanter Austausch, in dem ich Stachowiak gelobt habe und anmerkte, es sei wert, einem Spieler wie ihm eine Chance in der NHL zu geben. Natürlich ist ein Vertrag nicht automatisch eine Garantie, es auch in die NHL zu schaffen. Aber es freut mich natürlich, wenn Nationalspieler diesen Sprung nach Nordamerika überhaupt wagen und schaffen. Und das unabhängig vom Abschneiden der Nationalmannschaft. Das zeigt den Stellenwert des deutschen Eishockeys.“
Eine der Entdeckungen schon unter der PENNY-DEL-Saison war Korbinian Geibel, der das auch bei der Nationalmannschaft bestätigt hat…
Künast: „Korbi Geibel kam 2023/24 mit einer soliden DEL-Saison rein in die Liga, aber er war nicht unbedingt gesetzt als Top-Sechs-Verteidiger. Dann hatte er eine sehr gute DEL-Saison und vor allem starke Playoffs. Das hat dazu geführt, dass wir schon in der WM-Vorbereitung überlegt hatten, ihn zu nominieren. Denn wir dachten: ‚Der spielt wirklich gut, der kommt mit einem guten Gefühl, der wird Meister, der hatte eine sehr gute Saison, den holen wir dazu.‘ Und das hat er genauso bei uns fortgesetzt. Dass er so auf diesem Level während der WM weitermacht, hatte ich vielleicht nicht ganz erwartet. Und es freut uns natürlich auch, dass Spieler, die man vielleicht dieses Jahr oder letztes Jahr noch nicht auf dem Zettel hatte, dann nächstes Jahr für uns Kandidaten sind. Das zeigt, dass wir weiter sind als vor zehn Jahren.“
Und es zeigt auch den Spielern im Umkehrschluss, dass man auch die Chance noch bekommt, wenn man nicht schon seit drei, vier Jahren irgendwie im Kreis der Nationalmannschaft oder bei diversen Maßnahmen dabei war…
Künast: „Also es wäre vermessen zu sagen, dass wir eine Nation sind, die sagen kann: ‚Das ist unser Kreis und da kommt keiner rein.‘ Da sind wir halt nicht so weit wie andere Nationen, auch nicht so weit wie die Schweizer. Die Schweizer sind da breiter aufgestellt, weiter als wir im Seniorenbereich. Da ist bei uns noch Luft nach oben. Aber nochmal, es ist viel besser, als es zu meiner Zeit war oder vor 2015. Da sind wir jetzt einfach weiter.“
Aufs Turnier insgesamt geblickt: Inwiefern haben Sie den Verlauf noch verfolgt nach dem Aus der Nationalmannschaft?
Künast: "Ich habe tatsächlich fast jedes Spiel nachher noch gesehen, also auch beide Halbfinals, das Spiel um Platz drei für ein Drittel und das Finale fast ganz. Ich bin ein bisschen eingeschlafen zwischendrin, weil es so spät war – ich bin wirklich ein Früh-zu-Bett-Geher. (lacht). Ich war dann aber wieder wach im letzten Drittel und zur Overtime."
Was waren für Sie die die Erkenntnisse und Überraschungen des Turniers allgemein gesehen?
Künast: "Es war schon ein überraschender Weltmeister, wenn man es vor dem Turnierbeginn betrachtet hätte. Eine sehr gute Mannschaft aus NHL-Spielern, logisch, aber sie hat sich extrem unter dem Turnier entwickelt. Und die USA haben diese Kompaktheit gehabt. Im Halbfinale gegen Schweden waren Szenen dabei, die mich an die goldenen Zeiten der Finnen erinnert haben. Das ist dann schon eine Qualität, das so anzunehmen. Es war auch eine Belohnung für ihre starke
Nachwuchsarbeit."
Wie sehen Sie den erneuten Vizeweltmeistertitel der Schweiz?
Künast: "Die Schweiz wäre dran in meinen Augen. Ich habe ein WhatsApp-Verlauf mit Lars Weibel (Anm. d. Red.: Direktor für die Schweizer Nationalmannschaften), in dem wir vor drei Jahren geschrieben hatten, dass einer aus unserem Nationenkreis auch Weltmeister werden kann. Und mir tun die Schweizer selten leid – das gehört dazu, glaube ich, zu unserer Rivalität. Aber mir hat es diesmal wirklich leid getan. Und ich habe den Verantwortlichen auch allen geschrieben, weil sie einfach mal dran gewesen wären."
Was verlief für Sie im Turnier überraschend?
Künast: "Überraschend für mich war, dass die Tschechen im Viertelfinale raus waren. Österreich und Dänemark zeigen wie eng die Weltspitze zusammen ist. Und es zeigt auch, wie gut unsere Auswahl an Gegnern beim Deutschland Cup ist."
Wo steht das deutsche Team im Vergleich mit den angesprochenen Teams?
Künast: "Wir sind Achter in der Weltrangliste, in der neuen auch – und da gehören wir hin. Es ist braucht nicht viel, mal gegen die Nummer zehn, elf, zwölf, 13 zu verlieren – und dementsprechend auch einen Viertelfinalplatz zu verpassen. Es ist uns aber auch durchaus möglich, mal die Nummer eins, zwei, drei, vier oder fünf zu schlagen. Ich hatte dazu jüngst ein Gespräch beim DOSB gehabt, in dem es auch um die sportliche Einschätzung der nächsten Jahre geht. Da wurde ich konkret gefragt, ob Deutschland in der Lage ist, auch eine der absoluten Top-Nationen zu schlagen. Da habe ich gesagt: 'Natürlich!' Egal, in welcher Besetzung der Gegner ist. Egal, in welcher Besetzung wir sind. Das Schöne im Eishockey ist doch: Du kannst die Nummer eins auf der Welt besiegen, kannst aber auch gegen die Nummer 16 oder 18 verlieren."
Wäre es in der Gruppenphase einfacher gewesen, einen der "Großen" früher zu haben?
Künast: "Vorher haben wir es ja nicht so beantworten können, ob das gut oder schlecht ist für uns. Jetzt können wir es klar beantworten: Es wäre gut gewesen, eine der sogenannten Top-Nationen in den ersten drei Spielen oder vielleicht in den ersten zwei Partien zu haben. Das hilft einfach, anders ins Turnier zu starten. Also nichts, und auch nicht despektierlich gemeint, gegen Ungarn und Kasachstan als Start. Aber es wäre wirklich für uns hilfreich gewesen, wenn wir einen anderen Start bekommen hätten. Es ist aber kein Wunschkonzert. Wir haben auch dieses Mal viel versucht, auf den Spielplan einzuwirken. Zum Beispiel hatte Dänemark zwei Tage frei vor dem Spiel gegen uns. Aber das ist eben das Recht des Veranstalters. Und sie haben das bewusst so gelegt und haben alles richtig gemacht. Dann waren wir dieses Mal im Nachteil."
Vor dem Turnier gab es sehr hohe Erwartungen an das sportliche Niveau der WM aufgrund der vielen Stars aus der NHL, die dabei waren. Haben sich diese Erwartungen bestätigt in Ihren Augen?
Künast: "Insgesamt ist es schon so, dass die WM auch bei den NHL-Spielern gerne nochmal als Gelegenheit angesehen wird, ihre Saison zu erfolgreich zu Ende zu bringen. Wenn die Spieler dabei sind, wird das Turnier schon sehr ernst genommen und ist auch sehr gut. Bei den GMs in der NHL ist diese Sicht zum Großteil ähnlich: Sie unterstützen WM-Teilnahmen der Spieler, sobald ihre Saison beendet ist. Es gibt nur noch wenige NHL-Manager, die der WM wenig Bedeutung beimessen oder denen das Turnier im Prinzip gleichgültig ist. Natürlich gilt das auch für die Klubs, die noch in den NHL-Playoffs aktiv sind während der WM. Die fokussieren sich komplett darauf."
Wie wird es in Zukunft sein, wenn die NHL mehr Fokus auf ihre eigenen Turniere legt, auf den World Cup, der alle vier Jahre in den Zwischenräumen zwischen Olympia stattfinden soll: Kommen dann überhaupt noch NHL-Spieler zur WM?
Künast: "Ich glaube nicht, dass es enorme Auswirkungen haben wird, wenn die NHL jetzt wieder zu einem World Cup alle vier Jahre übergeht. Die Spieler werden nach wie vor zur WM je nach Verfügbarkeit kommen. Wenn sie fit und gesund sind – und wenn alles stimmt im Umfeld –, dann spielen sie gern für ihr Land. Das wird keiner irgendwie verhindern. Möglich, dass es mal Turniere geben wird, wo es weniger sind. Zum Beispiel auch die WM 26 nach Olympia. Aber dann geht es wieder nach oben."
Geben Sie auch gegenüber den deutschen NHL-Profis die Devise aus, dass nächstes Jahr der Fokus auf Olympia liegt, und nicht auf der WM danach?
Künast: "Das ist zu hart formuliert. Die letzten Gespräche drehten sich immer nur um zwei Turniere: Das waren die WM 2025 und Olympia 2026. Über weitere Turniere haben wir noch nicht gesprochen. Für alle NHL-Spieler bedeutet die Olympia-Teilnahme 2026 einen hohen Aufwand. Wenn sie bis ins Finale kommen, steigen sie Prinzip nach der Siegerehrung ins Flugzeug und machen drüben direkt mit den nächsten NHL-Spielen weiter. Da gibt es keinerlei Pause. Wenn diese Spieler dann noch die Playoffs mit ihren Teams erreichen und in der ersten Runde ausscheiden, halte ich eine WM-Teilnahme mit einer Nachreise zur WM für unwahrscheinlich. Es kommen sicherlich nur die Spieler in Frage, die die NHL-Playoffs 2026 verpassen."
Zurück zur WM 2025: Wir haben viel über die Spieler gesprochen, aber wie muss man sich denn die Analyse der Arbeit der Coaches vorstellen?
Künast: "Ich beobachte sehr viel und schreibe alles auf, da geht es auch um Gefühle: War da ein Missverständnis? Haben die Coaches alle das Gleiche gedacht? Und dann nehme ich mein Blatt her und setze mich mit dem Harry (Kreis, Anm. d. Red.) hin und sage: 'Harry, das habe ich beobachtet, wie ist denn dein Gefühl dazu, was meinst denn du?'"
Wann finden diese Gespräche statt?
Künast: "Ich nehme mich während des Turniers auch etwas zurück, weil in der Drittelpause – da sage ich gar nichts mehr – sprechen so viele Leute. Wenn ich da jetzt komme und sage, ich habe oben das gesehen – dann mache ich nur alle verrückt. Also ich sage meine Meinung meistens am Abend oder am nächsten Tag in der Früh beim Frühstück – oft beim ersten gemeinsamen Kaffee. Und die Einzelgespräche mit Harry machen wir ganz in Ruhe. Da sagt er mir auch seine Sichtweise."
Gibt es im Austausch mit Harry Kreis & Co. Lerneffekte aus der WM und die Erkenntnis, eventuell kleine Nuancen und Details mit Blick auf Olympia 2026 in der Vorbereitung und auch während des Turniers anzupassen?
Künast: "Absolut. Ich will jetzt auch nicht ins Detail gehen, aber wir haben Themen in der Art der Vor- und Nachbereitung der Spiele, Art der Analyse, Trainingsarbeit, über die wir uns derzeit austauschen. Es gibt ein paar Dinge, die wir sicherlich anpassen werden - das sind keine radikalen Änderungen, sondern nur Kleinigkeiten. Dabei berücksichtigen wir auch das Feedback von Spielern, Harry hat dazu schon einiges eingebracht."
Also geht es eher um die Arbeit während des Turniers und jetzt nicht unbedingt vor dem Turnier?
Künast: "Auch bezüglich des Jahresverlaufs haben wir konkret am Tag nach dem Ausscheiden schon einen Punkt angesprochen, den wir in Zukunft ein bisschen anpassen wollen. Ich nenne es jetzt einfach mal die Kader-Analyse."
Harry Kreis hatte im Juli oder August 2024 mal angesprochen – als es um das Thema ging, dass sein Vertrag noch bis 2026 läuft – dass eventuell nach der WM 2025 über eine Vertragsverlängerung als Bundestrainer gesprochen wird. Haben Sie sich schon dazu ausgetauscht?
Künast: "Wir hatten, das kann ich auch durchaus offen sagen, ein kleines, loses Gespräch, wie wir weiterkommen wollen. Wir analysieren jetzt erst einmal die WM, dann gehe ich in Urlaub. Harry macht seine Dinge und danach setzen wir uns im Juli zu einem weiteren offenen Gespräch zusammen mit den Fragen: Was wollen beide Seiten? Haben beide Seiten schon einen klaren Plan? Ganz wichtig für mich ist auch: Was will Harry, wie denkt er? Und dann gehen wir das konkret und ganz ergebnisoffen an. Es ist am Ende auch nicht die Entscheidung von mir alleine, das ist eine Verbandsentscheidung, bei der mehr Leute mitsprechen werden. Ich habe durchaus ein ganz offenes Verhältnis mit Harry, wir sind bislang sehr entspannt damit umgegangen und sind es immer noch. Jetzt haben wir vor drei oder vier Tagen gesagt, wir setzen uns im Juli zusammen und loten aus, was beide Seiten wollen."
Gibt es denn einen gewissen Zeitplan, bis zu welchem Termin Sie das Thema gerne geklärt hätten?
Künast: "Natürlich will man irgendwo seinen Arbeitstisch schön aufgeräumt haben, aber da spielen viele Faktoren rein bei einem Trainer. Wie entwickelt sich das Ganze? Am liebsten wäre es mir schon, wenn es vor der nächsten WM durch ist. Wenn wir in die WM 2026 gehen, sollte es eigentlich allen klar sein. Ein gutes Fenster für die Entscheidung ist also zwischen Olympia und WM im nächsten Jahr. Später sollte es nicht sein."
Spielt es auch eine Rolle, dass man dann den Blick auf Olympia 2026 noch hätte, wenn man die Entscheidung trifft? Oder ist das jetzt völlig unabhängig davon?
Künast: "Ja, das spielt mit Sicherheit auch eine Rolle. In dem Bereich, in dem wir arbeiten, sind ja alle Ergebnisse von heute Makulatur, wenn irgendwas in eine andere Richtung geht. Der Plan ist, finde ich, vernünftig: Im Juli ein erstes Gespräch, dass wir einmal die Denkweisen abgleichen, und uns dann über das Eishockeyjahr hangeln."
Ein ganz kurzer Exkurs zu Ex--Bundestrainer Marco Sturm: Die Spatzen pfeifen es schon so ein bisschen von den Dächern, dass er Cheftrainer bei den Boston Bruins in der NHL werden könnte. Wie besonders wäre das, auch für den DEIB, wenn man einen deutschen NHL-Trainer hätte?
Künast: "Wenn man sich auf dem Markt durchsetzt und Cheftrainer wird in einer NHL-Organisation, dann ist das für das deutsche Eishockey herausragend. Auch für den Verband, bei dem er seine ersten Schritte als Trainer gemacht hat. Für mich persönlich sowieso, da brauche ich nicht viel dazu sagen."
Interview: Sebastian Groß/Stefan Wasmer
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