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Dienstag, 13. November 2018

Letztes Interview als Bundestrainer Marco Sturm: "Wir können es uns nicht leisten, dass es erst einen Knall geben muss, bevor man reagiert"

Die Ehrung von Marco Sturm vor der Partie gegen die Slowakei am Sonntag.
Foto: City-Press

Es waren Gänsehautmomente am frühen Sonntagnachmittag vor der Partie gegen die Slowakei. Die Olympia-Highlights aus dem Februar hatten die Zuschauer sofort wieder in ihren Bann gezogen und der scheidende Bundestrainer Marco Sturm nahm eine Ehrencollage entgegen. Nach der Partie stellte sich Sturm zum vorerst letzten Mal als Bundestrainer den Fragen der Journalisten.

Herr Sturm, wenn jemand wie Marcus Kink oder Moritz Müller schon mehr als eine Träne verdrücken muss, weil man den Bundestrainer anspricht - wie geht's dem Trainer selbst?

Marco Sturm: "Warum soll es mir anders gehen? Besonders die beiden haben mit mir sehr viel erlebt, Gutes wie Schlechtes. Ich kann es nur immer wieder erwähnen: Es tut schon weh, wenn man dann Tschüss sagen muss. Ich war nicht nur Trainer, sondern ich war Teil und Freund der Mannschaft. Wir sind sehr eng zusammengerückt in den letzten drei Jahren, haben gemeinsam tolle Tage und Nächte erlebt. Es war wunderschön."

Wie geht man jetzt auseinander? Guckt man nochmal, ob alle Handynummern stimmen, gibt sich dann die Hand und sagt Tschüss und auf Wiedersehen?

Sturm (grinst): "Fast. Morgen (Montag, Anm. d. Autors) geht das Geschäft für jeden Einzelnen wieder los, jeder kehrt wieder zu seiner Arbeit zurück - so auch ich in meiner neuen Arbeit. Wir werden immer Freunde bleiben, egal was passiert. Ich bin auch mit Sicherheit den Sommer über wieder hier und werde mit dem ein oder anderen öfter telefonieren oder anderweitig in Kontakt bleiben. Von daher wird sich auch in der Zukunft nichts ändern."

Wie steht es um die Zukunft des DEB, jetzt wo Sie ausscheiden?

Sturm: "Die Struktur, die wir in den letzten Jahren erarbeitet haben, die steht. Wir sind auf einem guten Weg. Der Nachfolger wird mit Sicherheit auch genau diesen Weg weitergehen - oder es hoffentlich sogar noch besser machen. Da habe ich keine Angst. Mittlerweile haben wir gute Leute bei uns im Verband. Die werden weiterhin pushen, um alles aus dem deutschen Eishockey herauszuholen."

Sie selbst wollten am Samstag eine Rückkehr nicht ausschließen...

Sturm: "Man sieht sich im Leben immer zweimal. Es ist jetzt einfach eine neue Herausforderung für mich, aber ich bin noch jung, habe noch einiges vor mir - und wer weiß, wo die Reise hingeht. Es kann alles passieren und ich bin doch erst 40 Jahre alt."

Sie haben ihre Sachen schon vor den fünf Tagen beim Deutschland Cup in Krefeld gepackt, aber nach Kalifornien muss man doch nur kurze Hosen einstecken

Sturm: "Als Spieler ja, als Trainer geht das leider nicht mehr. Es sind dann doch Monate, die man dort verbringt und von vorne startet."

Das deutsche Eishockey muss nicht wieder von vorne starten - egal, wer jetzt hinter die Bande kommt und Sie ersetzt. Was für ein Trainertyp wird denn gebraucht?

Sturm: "Der DEB braucht einen starken Mann. Man braucht einfach wieder ein Gesicht, eine Person, an der sich die Spieler orientieren können. Das ist sehr entscheidend, das tut der Mannschaft gut. Vor allem kommen jetzt auch wieder viele junge Spieler nach. Von daher brauchen wir schon einen Trainer mit guter Erfahrung, der die Struktur, welche wir geschaffen haben, weitergeht und eben auch mit vielen jungen Spielern immer wieder fleißig arbeitet."

Sie haben ja auch ein sehr enges Verhältnis zu Franz Reindl. Glauben Sie, er wird Sie anrufen, wenn er einen geeigneten Kandidaten gefunden hat und Sie nach Ihrer Meinung fragen?

Sturm: "Das kommt auf den Franz an. Aber ich glaube, das braucht er gar nicht. Die Suche hat ja jetzt schon begonnen. Da muss ich mich nicht mit einmischen. Wenn ein Anruf kommt, gebe ich meine Meinung ab. Aber die kennen sie ja - ich war am Samstag noch bei der DEB-Präsidiumssitzung und habe einige Worte gesagt, auch über den Nachfolger. Das müsste reichen."

Ihre letzten Worte in Sachen Nachwuchsförderung im deutschen Eishockey:

Sturm: "Es ist mein Wunsch, dass Franz (Reindl, Anm. d. Autors) das Gespräch mit der Liga sucht. Momentan reicht es einfach noch nicht. Das ist fast schon ein Muss. Wir können es uns nicht leisten, dass es erst einen Knall geben muss, bevor man reagiert. Die anderen Nationen schlafen alle nicht."

Wenn Sie jetzt die Augen schließen und sagen: "Das war mein Moment als Bundestrainer!" - Welcher wäre das?

Sturm: "Die Olympia-Quali ist schon sehr nah dran, aber was für mich persönlich - ich weiß nicht warum - weit voraus ist, ist das Halbfinalspiel bei Olympia gegen Kanada. Das waren Momente, die habe ich selbst noch nie so gehabt und gefühlt. Das war auch so ein enormer Druck, weil wir noch vier Mannschaften waren und eine davon ohne Medaille heimfahren musste. Wir wollten die unbedingt holen. Die Art und Weise, wie wir dann gespielt haben, war einfach sensationell. Das hat mich sehr begeistert - auch, wenn ich heute daran denke."

Es gibt ja dieses eine Foto von Ihnen, wo alle jubeln, alle über die Bande springen, als gerade die Schlusssirene ertönt ist - und Sie stehen da ganz in sich versunken mit geschlossenen Augen. Erinnern Sie sich an diesen Augenblick?

Sturm: "Natürlich! Ich glaube, da war ich in einem Schockzustand. Ich kann es nur so beschreiben. Das war einfach unglaublich, auch bei mir sind da zum ersten Mal Tränen vor Freude geflossen. So kenne ich mich eigentlich gar nicht. Da sieht man aber erst mal, was dieses Spiel und was dieser Moment für mich und ich denke auch für ganz Deutschland bedeutet hat."

Ein weiteres doppelseitiges Exklusiv-Interview mit Ex-Bundestrainer Marco Sturm finden Sie in der aktuellen Print-Ausgabe der Eishockey NEWS, ab dem heutigen Dienstag am Kiosk oder hier zu bestellen.


Kurznachrichtenticker

  • vor 23 Stunden
  • Mit André Schrader, Tim Heffner und Andreas Hofer werden ein DEB-Schiedsrichter und zwei DEB-Linienrichter bei der Weltmeisterschaft der Top Division in Prag und Ostrava/Tschechien (10.-26. Mai 2024) mit dabei sein.
  • gestern
  • Der 20-jährige Verteidiger Alexander Schmidt hat seinen Vertrag bei den Eispiraten Crimmitschau um ein Jahr verlängert. Dies gab der Club aus der DEL2 am Montag bekannt.
  • vor 2 Tagen
  • Der 21-jährige Torhüter Leon-Niklas Jessler (zwei Einsätze für den EV Duisburg) wird das Team aus der Oberliga Nord wieder verlassen.
  • vor 2 Tagen
  • In der Finalserie der U17-Meisterrunde setzten sich die Jungadler Mannheim mit 3:1 gegen die Kölner Junghaie durch. Spiel 4 am Sonntag gewann der Mannheimer Nachwuchs souverän mit 5:1 und krönte sich mit dem Auswärtssieg zum neuen deutschen U17-Meister.
  • vor 4 Tagen
  • Die Dresdner Eislöwen (DEL2) und TecArt Black Dragons Erfurt (OL Nord) werden künftig nicht mehr kooperieren. Die Vereinbarung zwischen beiden Clubs wird nicht verlängert, da Dresden wegen der angestrebten Verkleinerung des Kaders nicht mehr zwingend einen Partner benötigt.
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