Rückkehrer Marcel Noebels (links) und das deutsche Nationalteam hielten gegen Tschechien zunächst gut mit. Ab Mitte des zweiten Drittels war der amtierende Weltmeister (rechts Filip Pyrochta) jedoch häufig einen Schritt zu schnell für die DEB-Auswahl.
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Marcel Noebels hatte die passende Einordnung parat. „Dass es 0:5 ausgeht, ist vielleicht zu hoch“, sagte der in den WM-Kader zurückgekehrte Angreifer nach der deutlichen Niederlage des deutschen Nationalteams im sechsten WM-Match in Herning gegen Tschechien. Gleichwohl hatte Noebels zuvor zugegeben: „Wir haben heute nicht gut genug gespielt, um an Punkte denken zu können und verdient verloren.“ Damit traf der 33-Jährige den Kern einer Partie, in der das DEB-Team zwar zumindest bis zum 0:2 Mitte des zweiten Drittels gut mitgehalten hatte, der spielerischen Extraklasse des Titelverteidigers mit zunehmender Spieldauer aber immer weniger entgegensetzte.
„Das erste Drittel fand ich wirklich gut. Wir haben uns ganz gut festgesetzt in deren Zone, es ihnen schwergemacht mit viel Laufarbeit und waren nah am Mann“, sah auch Noebels einen starken Start der deutschen Mannschaft, die – abgesehen vom frühen 0:1 in Unterzahl durch David Pastrnak – im Auftaktabschnitt kaum zwingende Chancen der Tschechen zuließ und kompakt vor dem eigenen Gehäuse stand. Ihrerseits schnupperte die DEB-Auswahl insbesondere bei den Pfostentreffern von Dominik Kahun sowie Tim Stützle am Ausgleich, „aber dann kam die Phase, in der wir deren Top-Spielern zu viel Zeit und Raum gegeben haben. Dann hat man gesehen, was passiert“, sagte Noebels mit Blick auf die weiteren Gegentore.
„In so einem Spiel kommt natürlich alles zusammen“, kommentierte Moritz Seider, der mit seinem Ausrutscher vor dem endgültig entscheidenden 0:4 sinnbildlich für das fehlende deutsche Spielglück stand, die beiden Pfostentreffer. Trotz des klaren Resultats fiel aber auch die Bewertung der DEB-Leistung durch den Kapitän keineswegs nur negativ aus. „Im Großen und Ganzen kann man relativ viel Positives aus dem Spiel rausziehen“, meinte Seider. Für die Entscheidung um den Viertelfinaleinzug sei es indes ohnehin „völlig egal, was heute passiert ist. Morgen müssen wir unsere beste Leistung im Turnier bringen.“
Gemeint war damit der Showdown gegen Gastgeber Dänemark am Dienstagabend (20.20 Uhr; live bei ProSieben, MagentaSport und Sportdeutschland.TV), bei dem die Rechnung nach der deutschen Niederlage gegen Tschechien ganz einfach sein wird: Der Sieger zieht in die Runde der letzten Acht ein, der Verlierer hat Sommerpause. „Das ist eine Mannschaft, die mit sehr viel Emotionen spielt“, sagte Noebels über die Dänen und ergänzte folglich: „Wir müssen im Kopf haben, wenn der Puck fällt, dass wir um jeden Zentimeter kämpfen.“ Immerhin: Kämpferisch sah Harold Kreis die Partie gegen Tschechien schon mal als gute Basis für das Do-or-die-Spiel. „Wir haben über 60 Minuten leidenschaftlich gespielt. Den emotionalen Einsatz, den wir brauchen, um unser Spiel aufzuziehen, haben wir aufs Eis gebracht“, fand der Bundestrainer.
Bei allem Lob für die Einstellung hat Kreis mit seinem Team nach der dritten unter dem Strich deutlichen Niederlage gegen eine Top-Nation in Folge (1:5 gegen die Schweiz, 3:6 gegen die USA, 0:5 gegen Tschechien) aber reichlich Baustellen zu bearbeiten – und das aus deutscher Perspektive idealerweise schnell. Dazu zählen insbesondere die Special Teams. In Unterzahl verzeichnet die DEB-Auswahl im Turnierverlauf den schlechtesten Wert aller 16 WM-Teilnehmer – ausgerechnet, denn: „Die Dänen sind sehr stark in Überzahl“, weiß der Bundestrainer, mit einer Erfolgsbilanz von mehr als 38 (!) Prozent statistisch sogar besser als alle anderen Nationen. Im eigenen Powerplay wiederum überzeugte die deutsche Mannschaft gegen Tschechien trotz insgesamt ordentlicher Quote bei der WM einmal mehr nicht. „Wenn man die Scheibe so gut bewegt wie wir es gemacht haben, muss man auch den Schuss irgendwann finden“, fasste Top-Scorer Dominik Kahun die gegen den amtierenden Weltmeister offensichtliche Problematik zusammen.
Die offensiven Schwierigkeiten des DEB-Teams gehen indes tiefer. Bei den Niederlagen gegen die drei Großen der Gruppe B gelang der deutschen Mannschaft nur ein einziger Stürmertreffer (durch Wojciech Stachowiak gegen die USA), Kreis fordert angesichts der dünnen Bilanz: „Wir brauchen ein dreckiges Tor, vielleicht ein Rebound-Tor.“ Noebels räumte derweil ein: „Man merkt, dass die Leichtigkeit in den Abschlüssen fehlt, dass nicht mehr ganz so die Überzeugung dabei ist.“ Allerdings sah der Rückkehrer auch eine grundsätzlichere Erklärung für die fehlende Durchschlagskraft. „Wir haben momentan das Problem, das auf dem Eis ein, zwei arbeiten und drei gucken zu“, sagte Noebels und führte aus: „Man verlässt sich zu sehr auf denjenigen, der die Scheibe hat, dass er etwas Besonderes macht oder zwei Mann stehen lässt.“ Gegen Dänemark benötige es nun insbesondere läuferisch gegenseitige Unterstützung von Anfang an, „dann werden auch genug Chancen kreiert werden, um mehr Tore zu schießen“.
Stefan Wasmer