Freigesprochen: Dillon Dube, Cal Foote, Michael McLeod, Carter Hart und Alex Formenton (von links).
Fotos: NHL Media (4), IMAGO/dieBildmanufaktur
Der Prozess um fünf ehemalige kanadische Juniorennationalspieler, die vor einem Gericht in London in der Provinz Ontario des sexuellen Missbrauchs angeklagt waren, endete am vergangenen Donnerstag letztlich nicht unerwartet mit einem Freispruch.
Anfang 2024 war Dillon Dube, Alex Formenton, Callan Foote, Carter Hart und Michael McLeod, von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen worden, das in den Gerichtsakten aus Personenschutzgründen nur als E.M. bezeichnete mutmaßliche Opfer in einer Nacht im Juni 2018 im Anschluss an eine Gala des kanadischen Eishockeyverbands Hockey Canada sexuell missbraucht zu haben. In ihrer Urteilsbegründung erklärte Richterin Maria Carroccia, dass E.M. sich in ihren Aussagen in Widersprüche verwickelt hätte und zum Teil unglaubwürdig gewesen sei. Obendrein habe sie bei der Angabe der Menge ihres Alkoholkonsums übertrieben.
Carroccia erklärte zudem, dass E.M.s Aussage zahlreiche Erinnerungslücken aufgewiesen habe, die sie mit ihren eigenen Vermutungen aufzufüllen versucht habe. E.M. habe die Männer zudem selbst um sexuelle Aktivitäten gebeten, so Carroccia, die zudem angab, nicht davon überzeugt zu sein, dass E.M. nicht davon gewusst habe, dass McLeod, der zunächst einvernehmlichen Sex mit E.M. gehabt hatte, weitere Teammitglieder in sein Hotelzimmer eingeladen hatte.
Die wohl entscheidende Wendung im Prozess hatte es um die Aussage des als Zeugen geladenen Brett Howden, Stürmer der Vegas Golden Knights, gegeben. Dieser hatte in Textnachrichten gegenüber Mitspielern sowie der damaligen Vernehmung über das Geschehen Aussagen getroffen, die durchaus belastend für seine Kollegen wertbar waren. Daher wollte die Staatsanwaltschaft die Anklage gerade auch auf Howdens Aussagen stützen. Richterin Carroccia ließ allerdings nach seiner Zeugenaussage kein Kreuzverhör Howdens mehr zu, weil dessen damalige Aussagen unter Alkoholeinfluss, nicht unter Eid sowie unter großem persönlichem Stress und Druck, um sich selbst zu schützen, stattgefunden hätten.
Schon vor dem Prozess hatte die Staatsanwaltschaft, die nun 30 Tage Zeit, um gegen das Urteil Berufung einzulegen, darauf verwiesen, dass es im Prozess vor allem darum gehe, dass E.M. jeder einzelnen sexuellen Handlung in der Nacht zugestimmt haben muss. Zumindest für das Gegenteil sah Carroccia keine Evidenz und wertete auch das Video, dass McLeod in der Nacht von E.M. gemacht hatte und in der sie nachträglich ihre Zustimmung zu dem bis dahin Geschehenen gegeben hatte, als letztlich positiv für die Angeklagten.
Im Vorfeld des strafrechtlichen Prozesses hatte bereits 2022 eine publik gewordene außergerichtliche Einigung in einem zivilrechtlichen Prozess zwischen E.M. und dem kanadischen Verband, der CHL sowie acht namentlich nicht genannten Spielern, darunter vermutlich auch die Angeklagten, damit geendet, dass E.M. eine Zahlung von 3,55 Millionen Dollar erhalten hatte. Nachdem im Zuge dessen weitere Fälle von geheimen Zahlungen an mutmaßliche Opfer von sexueller Gewalt durch Angehörige von Kanadas Nationalmannschaften und sogar ein geheimer Fonds des Verbands für derartige Fälle bekannt wurden, geriet Kanadas Eishockey-Verband unter großen Druck der Öffentlichkeit, zahlreiche Sponsoren sprangen ab. Als Folge kam es in der Führungsetage des Verbands zu einer nahezu kompletten personellen Neuaufstellung.
Für McLeod, Dubé, Foote und Hart - Formenton zog sich 2024 aus dem Profi-Sport zurück - bedeutet das Urteil zumindest zunächst nicht, dass die in erster Instanz nun freigesprochenen Spieler in die NHL zurückkehren dürfen. Denn NHL-Commissioner Gary Bettman teilte noch am Donnerstag mit, dass die Liga in der Sache eigene Ermittlungen weiterführen werde und die Spieler daher auf unbestimmte Zeit nicht spielberechtigt bleiben. Die Reaktion der Spielergewerkschaft NHLPA folgte indes prompt: Nach dem Freispruch widerspreche das Vorgehen Bettmans den entsprechenden Regelungen im Rahmentarifvertrag. Die Spieler, die durch den Prozess ohnehin schon über ein Jahr an potenzieller Spielzeit verloren haben, sollten nach dem Urteil umgehend wieder ihre Spielberechtigung erhalten, so die Gewerkschaft.
Gut möglich allerdings, dass Bettman mit seinem Vorgehen vor allem erst einmal Zeit gewinnen will, um abzuwarten, ob die Staatsanwalt Einspruch gegen Carroccias einlegen wird - und es somit noch zu einer Fortsetzung des Falles kommen wird.
Joachim Meyer