Die Gesichter auf der deutschen Bank sprachen Bände: Bereits nach 40 Minuten war die WM-Niederlage gegen die Schweiz am Donnerstag besiegelt.
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1:5 gegen die Schweiz – derart deutlich hatte das deutsche Männer-Nationalteam seit 2005 kein WM-Match mehr gegen den Eishockey-Erzrivalen verloren. Historisch schlecht war die Leistung der DEB-Auswahl am Donnerstag zwar nicht, aber eben auch nur ein Drittel lang gut genug, um auf ein besseres Resultat hoffen zu dürfen. „Das erste Drittel war ordentlich. Da hatten wir gute Chancen und lange Wechsel bei den Schweizern in der Zone“, resümierte Leo Pföderl, der nach der Verletzung und dem Turnier-Aus von Lukas Reichel in den deutschen Angriff zurückgekehrt war. „Deswegen ist es schon bitter, weil wir das Spiel im zweiten Drittel in fünf Minuten wegschmeißen.“
Tatsächlich hatte sich die deutsche Niederlage sogar innerhalb von nur 84 Sekunden abgezeichnet. Denn nachdem Damien Riat (25.) und der spätere Vierfachtorschütze Sven Andrighetto (26.) per Doppelschlag auf 2:0 für den Vizeweltmeister gestellt hatten, ließen die seit sieben WM-Vorrundenspielen gegen das DEB-Team ungeschlagenen Schweizer zu keinem Zeitpunkt mehr Zweifel daran aufkommen, dass sie die Tabellenspitze der Gruppe B (vorübergehend) von ihrem Gegner übernehmen würden. „Die Schweizer haben sehr starkes Eishockey gespielt. Sie lassen sich nicht aus der Ruhe bringen und sind sehr sicher an der Scheibe“, zollte Bundestrainer Harold Kreis den Eidgenossen den verdienten Respekt. Gleichwohl offenbarte bereits Riats aus einer Umschaltaktion heraus erzieltes 1:0 die Schwächen, welche sich im gesamten zweiten Drittel durch das deutsche Spiel zogen. „Wir wurden eiskalt ausgekontert“, musste Kapitän Moritz Seider zugeben, Stürmer Dominik Kahun sagte mit Blick auf den mittleren Abschnitt: „Wir haben uns komplett verloren, es waren Leichtsinnsfehler – ich weiß gar nicht, wie oft die Schweizer ein Zwei-gegen-eins, Drei-gegen-eins oder Drei-gegen-zwei hatten. Das darf so auf diesem Niveau nicht passieren.“
Doch weshalb verlor die DEB-Auswahl nach einem ersten Durchgang, in dem sie bis auf die Anfangsphase auf Augenhöhe agiert und streckenweise sogar die besseren Führungsmöglichkeiten gehabt hatte, derart den Faden? „Wir sind vielleicht ein bisschen ungeduldig geworden“, machte Kreis als Ursache für die vielen Schweizer Umschaltsituationen aus. In die gleiche Kerbe schlug Seider bei seiner Analyse der fatalen Minuten nach dem ersten Gegentor: „Vielleicht sind die Jungs ein bisschen zu heiß darauf gewesen, den Anschluss wiederzufinden. Dann haben wir die eine oder andere Situation nicht richtig gelesen, den einen oder anderen Gegenspieler verloren, und die Schweizer spielen das natürlich eiskalt aus. Mit einem 0:4 in der zweiten Pause wird es dann schwer.“ Bereits vor der Begegnung hatte Kreis angesichts der Schweizer Schnelligkeit sorgfältiges und cleveres Puck-Management angemahnt, im zweiten Drittel klappte dies jedoch ganz und gar nicht – oder wie Kahun sagte: „Wir haben die Scheibe unnötig weggeworfen, statt sie zu halten und kürzere Pässe zu machen.“
Nicht unbedingt gefallen haben dürfte Kreis auch, wie selten sich seine Stürmer gegen die Schweizer Defensive durchsetzen konnten. Den Großteil der unter dem Strich wenigen zwingenden DEB-Chancen hatten Verteidiger, im Auftaktabschnitt etwa Korbinian Geibel sowie gleich mehrmals Fabio Wagner. Herausgespielt wurden diese zwar auch durch starke Vorarbeit der Angreifer, dennoch räumte Kahun ein: „In den letzten Jahren hatten wir eine gewisse Lockerheit, aber heute haben wir uns viel zu schwergetan, irgendetwas zu kreieren. Wir haben zu kompliziert gespielt.“ Die magere Torschuss-Bilanz von nach 60 Minuten nur 22 deutschen Abschluss unterstrich die Aussage des deutschen Turnier-Top-Scorers, Pföderl klang ähnlich: „Wir als Stürmer haben viel zu viel Aufwand gebraucht, um ordentliche Chancen zu kreieren. Die besten Chancen haben unsere Verteidiger gehabt.“ Da passte es ins Bild, dass der zunächst Marc Michaelis gutgeschriebene Ehrentreffer noch am Donnerstagabend zu Defender Jonas Müller wanderte.
Überbewerten wollte Pföderl die herbe Niederlage indes trotz der langen Mängelliste nicht. „Wir haben sauber auf den Sack gekriegt, aber so läuft es eben bei einer WM auch mal. Wir haben nach vier Spielen neun Punkte, das ist super“, sagte der 31-Jährige, und auch Seider hob vor dem Duell gegen die USA am Samstagmittag (12.20 Uhr; live bei ProSieben, MagentaSport und Sportdeutschland.TV) die in der Tat nach wie vor komfortable Ausgangsposition des DEB-Teams (siehe Tabellenstand vom Donnerstagabend unten) hervor: „Wenn man gegen so eine Mannschaft gewinnen kann, ist das Viertelfinale schon relativ sicher. Man hat in den letzten Spielen gesehen, dass die Amerikaner schlagbar sind, wenn wir uns gut auf sie einstellen.“ Dass die mit namhaften NHL-Profis gespickte Auswahl der Vereinigten Staaten das WM-Turnier mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Motivation bestreitet, war in den jüngsten beiden Partien gegen die Schweiz (0:3) und Norwegen (6:5 nach Verlängerung nach 5:1-Vorsprung) jedenfalls nicht zu erkennen. Die deutsche Mannschaft hingegen hat bei den ersten beiden Weltmeisterschaften unter Harold Kreis bereits bewiesen, nach Rückschlägen eine Reaktion zeigen zu können. „Jede Niederlage ist ein Lernprozess. Ich bin überzeugt, dass wir besser und stärker zurückkommen“, zeigte sich der Bundestrainer dementsprechend schon unmittelbar nach der Abreibung gegen die Eidgenossen wieder kämpferisch.
Stefan Wasmer