Frantisek Pospisil, der Kapitän der Weltmeistermannschaft von 1972, mit der Trophäe.
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Um zu wissen, was Eishockey für Tschechien bedeutet, muss man sich nur einmal mit den Menschen dieses Landes über die Sportart unterhalten. Und trotz - oder gerade wegen - einer langen Tradition kommt das Gespräch dann immer wieder auf 1972 und die WM im eigenen Land, das damals noch Tschechoslowakei hieß. Nur vier Jahre nach dem blutigen Ende des Prager Frühlings gab es auf dem Eis in Prag die Chance zur Revanche gegen die verhassten "Brüder" aus der Sowjetunion. Nicht selten erzählen dann Augenzeugen mit Tränen in den Augen von jenem 20. April, als die UDSSR im vorentscheidenden Spiel (damals gab es nur Gruppenspiele) mit 3:2 geschlagen wurde. "Niemals wieder habe ich so eine Stimmung erlebt, solche Gefühle bei der Nationalhymne, solch eine Atmosphäre beim Verlassen einer Eishalle", sagt ein tschechischer Journalist.
Spätestens ab diesem Tag war Eishockey für die Tschechen mehr als nur irgendein Sport. Ein Ereignis, dass diese Sportart und das Land tief geprägt hat - ähnlich wie das Wunder von Bern die Deutschen. Auf dem Eis konnte man den Sowjets in der damaligen Zeit Paroli bieten, dort hatte man die Chance, es ihnen heimzuzahlen. Um also auch zu verstehen, was diese WM für die Menschen bedeutet, muss man tief in die tschechische Seele eindringen. Da ist es mehr als nur Symbolik, dass Jaromir Jagr mit der Rückennummer 68 aufläuft. Eishockey war immer auch Politik in diesem Land. Der auch in Deutschland bekannte ehemalige Torhüter Petr Briza war einer der ersten, die zur Wendezeit auf dem Wenzelsplatz zu den Massen gesprochen haben.
Und wie tief alte Wunden noch sind, wird auch deutlich, wenn auf dem Videowürfel in der O2-Arena Szenen aus den Parallelspielen in Ostrau gezeigt wurden. Wann immer russische Tore über die Anzeige flimmerten, gab es Pfiffe im Stadion.
Es dürfte also noch einmal ein emotionales Finalwochenende bei dieser WM der Superlative geben. Ein Finale Russland gegen Tschechien ist möglich und was dann in diesem Land los wäre, das lässt sich erahnen. 12 Titel hat Tschechien/Tschechoslowakei bisher eingefahren, liegt damit hinter Sowjetunion/Russland und Kanada auf Platz drei. Fünf Jahre nach dem letzten Triumph lechzt die Nation nach einem neuen Erfolg.
Tobias Welck